Frauenpolitik ist mehr als Gewaltschutz

Veröffentlicht am: 18. Juli 2018|Meinung, Presseaussendung, Publikation|Themen: |

Feministische Organisationen protestieren gegen Förderkürzungen durch das Frauenministerium

(18.7.2018) Im Laufe des Juni erhielten mehrere Einrichtungen, die feministische emanzipatorische Bildungs- und Informationsarbeit betreiben, vom Frauenministerium die Mitteilung, dass die Fördermittel für das laufende Jahr zur Gänze gestrichen oder empfindlich gekürzt werden. Der Entzug von vergleichsweise geringen Summen stellt für diese Organisationen, die ohnehin unter sehr prekären Bedingungen arbeiten, eine existenzielle Bedrohung dar.

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Wie bereits berichtet, wurde der feministisch-entwicklungspolitischen Zeitschrift „Frauen*solidarität“ die Förderung des Frauenministeriums komplett gestrichen. Nun wurde bekannt, dass auch dem Verein „Frauenhetz“, der feministische Bildungs- und Kulturarbeit betreibt, die gesamte Unterstützung vom Frauenministerium abgesagt wurde. Auch dem Frauenarbeitskreis der „Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung“ (ÖBV-Via Campesina Austria), der seit fast 30 Jahren emanzipatorische Bildungsarbeit für Frauen am Land betreibt, wurde die bisherige Unterstützung von 16.000 Euro auf die Hälfte gekürzt. Der seit 1974 existierende „Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft“ (AEP), der in Innsbruck unter anderem eine Familienberatungsstelle, eine feministische Zeitschrift sowie eine öffentliche Bibliothek mit Bildungs- und Kulturarbeit betreibt, hat mit einer Kürzung der Fördermittel um 20% zu kämpfen. Von einer gänzlichen Streichung der bisherigen 5.500 Euro Förderung ist der Verein „One Billion Rising Austria“ (OBRA) betroffen. OBRA setzt sich im öffentlichen Raum für ein Ende der Gewalt an Frauen* und Mädchen* ein und hat dafür einige Preise erhalten.

Viele Frauenorganisationen machen sehr viel aus vergleichsweise geringen Fördersummen. Einige der genannten Organisationen sind schon jetzt stark auf ehrenamtliche Arbeit angewiesen, aber auch sie haben Kosten. „Es war bisher schon schwierig, mit so kleinen Budgets zu arbeiten. Jetzt wissen wir nicht, wie es weitergehen soll. Die Streichung vom Frauenministerium gemeinsam mit anderen Förderausfällen ist existenzbedrohend für uns“, so Aiko Kazuko Kurosaki von One Billion Rising.

Als Grund für die Kürzungen und Streichungen werden vom Frauenministerium das begrenzte Budget und der Schwerpunkt auf Gewaltopfer genannt. Frauenministerin Bogner-Strauß gibt jedoch auch Gewaltprävention als eigenen Schwerpunkt an. Die betroffenen Fraueninitiativen argumentieren, dass sie auch im Bereich der Prävention und des Empowerment arbeiten. „Emanzipatorische Bildungs-und Öffentlichkeitsarbeit wirkt vorbeugend gegen Gewalt und Ausbeutung“, so Birge Krondorfer, politische Philosophin und Mitbegründerin der „Frauenhetz“. Gewaltschutz sei wichtig, aber es brauche auch eine aktive Politik gegen jene Strukturen, welche die Gewalt produzieren. „Wir in der ÖBV betreiben Bewusstseinsbildung für Frauen mit Blick auf „das große Ganze“. Wir setzen uns ein für ein „Gutes Leben für Alle“, beschreibt Maria Vogt, Biobäuerin im Weinviertel, ihr Engagement. Dazu gehört auch der Blick über den nationalen Tellerrand. Die ÖBV-Frauen sind über die Kleinbäuer_innenbewegung „La Via Campesina“ weltweit vernetzt. Bei der „Frauen*solidarität“ liegt der Schwerpunkt der Arbeit auf der internationalen Vernetzung von Fraueninitiativen und feministisch-entwicklungspolitischer Informations- und Bildungsarbeit.

In den von Kürzungen betroffenen Initiativen engagieren sich seit vielen Jahren Frauen für Frauen- und Menschenrechte, zeigen Probleme in diesen Bereichen auf und treten für alternative Lebenskonzepte ein. Mit relativ wenig öffentlichen Geldern wird so wichtige Arbeit für die Gesellschaft geleistet. Die angekündigten Kürzungen bedeuten für diese Initiativen einen existenziellen Einschnitt in ihre Arbeitsfelder oder überhaupt das Ende. Die Organisationen fordern gemeinsam von der Frauenministerin, die angekündigten Kürzungen zu überdenken und Gespräche mit den betroffenen Einrichtungen zu führen. „Wir wünschen uns ein ausgeglichenes Förderkonzept, das die begonnene Arbeit ermöglicht und wertschätzt“, so Claudia Temper, Geschäftsführerin der Frauen*solidarität.

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Für Rückfragen:

Frauenarbeitskreis der Österreichische Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung (ÖBV-Via Campesina Austria), www.viacampesina.at
Frauenhetz, frauenhetz.jetzt
Frauen*solidarität, www.frauensolidaritaet.org
Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft – AEP (Innsbruck) www.aep.at
One Billion Rising Austria, 1billionrising.at
WIDE – Entwicklungspolitisches Netzwerk für Frauenrechte und feministische Perspektiven

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