Produktion von Agrotreibstoffen

Veröffentlicht am: 5. Mai 2011|Publikation, Stellungnahme|Themen: |

Globale Ernährungssituation, Recht auf Nahrung und Auswirkungen auf Frauen

WIDE-Positionspapier
Wien, Mai 2011

Autorinnen: Gertrude Klaffenböck, Eva Lachkovics, Wien, Dezember 2009
Adaptierung und updating: Eva Lachkovics, Wien, Mai 2011

Die Beimischungsziele der Industrieländer (EU, USA) führen zu forcierter Produktion von Rohstoffen für Agrotreibstoffe im Süden, die mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen, ganz besonders mit der Verletzungen des Rechts auf Nahrung, und mit dem Verlust von Existenzgrundlagen in Form von Land und natürlichen Ressourcen einhergeht.

In einigen Ländern mag es geringe Einkommensmöglichkeiten durch die Agrotreibstoffproduktion geben40 – hauptsächlich für Männer, da es sich eine neue Technologie handelt und Frauen weniger mobil als Männer sind. Insgesamt überwiegen die sozialen, ökologischen, ökonomischen Nachteile bei weitem. Frauen sind auch hier wieder einmal ganz besonders heftig betroffen. Sie machen bis zu 70% der Armen dieser Welt aus41 und sind eher von Landlosigkeit betroffen als Männer. Sind sie in der Lage, Land zu bewirtschaften, so sind es hauptsächlich Klein- und Subsistenzbetriebe. Sie besitzen das Land aber häufig nicht selbst. Frauen sind vielfach für die Pflege und Weiterentwicklung der agrobiologischen Vielfalt zuständig. All das wird durch den Agrotreibstoff-Boom gefährdet, der vielerorts zu Vertreibungen und Umsiedlung führt. Haben Frauen ihre landwirtschaftliche Existenz einmal verloren, gibt es für sie weit weniger Möglichkeiten für ein alternatives Einkommen als für Männer.

Für Europa muss die Rohstoffproduktion großteils in den Süden und Osten ausgelagert werden, mit den damit verbundenen Problemen – eine neue Form des Kolonialismus. Dabei wird der relative Reichtum an agrobiologischer Vielfalt im Süden durch die industrielle Landwirtschaft weiter bedroht.
Biodiversität ist die Grundlage der globalen Nahrungssicherung. Die zunehmende Reduktion der pflanzengenetischen Vielfalt verringert die Möglichkeiten, Nahrungspflanzen mittels Züchtung an neue Bedingungen anzupassen. Diese Anpassung ist aber gerade im Zeitalter des Klimawandels überlebensnotwendig für die Menschheit. Gentechnik kann nicht leisten, was konventionelle Züchtung vermag. Während wir in Europa eher langfristig und mittelbar von der Erosion der Biodiversität betroffen sind, hängt die Existenz der Kleinbauern und insbesondere die der Kleinbäuerinnen im Süden ganz unmittelbar und direkt von der pflanzengenetischen Vielfalt ab. Dadurch wirkt sich die Agrotreibstoffproduktion global nachteilig auf das Recht auf Nahrung, besonders auf das der Frauen aus, aber auch durch den Anstieg der Lebensmittelpreise. Letzteres nicht nur im Süden, sondern auch unter der ärmeren Bevölkerung in der EU, die sich mitunter nicht mehr durchwegs ausgewogen ernähren können.

Agrotreibstoffe sind kein sinnvoller Lösungsansatz für Energie- und Klimaprobleme. Immer mehr wissenschaftliche Studien42 sprechen von zusätzlicher Treibgasentwicklung.
Wenn alle 6,7 Milliarden Menschen so mit den natürlichen Ressourcen umgingen wie Europa, bräuchten wir jetzt schon drei Erden, ganz zu schweigen von den USA. Mit Fug und Recht streben aber nun auch ärmere Länder eine Angleichung an unseren Lebensstandard an. Daher darf nicht über eins zu eins Ersatz für Erdöl nachgedacht werden, sondern über Sofortmaßnahmen zur drastischen Reduktion des Energieverbrauchs. Keinesfalls darf die Energieproduktion für die Reichen auf Kosten der Ernährung der Armen gehen wie bei den Agrotreibstoffen!

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