Presseaussendung: Sprache MACHT Wirklichkeit – für geschlechtergerechte Vielfalt im Kopf!
Geschlechtergerechte Sprache und ihre Lesbarkeit als gesetzlicher Bildungsauftrag
(Wien, 3.3.2015) Die Ankündigung des Bildungsministeriums nur mehr Schulbücher in „geschlechtsneutraler“ Sprache zu formulieren, stößt auf medienwirksame Kritik auch von Elternverbänden. Der Verein „JOAN ROBINSON – für frauengerechte Verteilung ökonomischen Wissens“ unterstützt das Vorhaben des Ministeriums, da es sich dabei um eine seit 1993 gesetzlich geforderte Maßnahme handelt, die dazu geeignet ist, unterschiedlichste Lebensrealitäten von Personen sichtbar und somit auch gestaltbar zu machen.
Endlich wurde im Bereich der Bildung ein wichtiger Schritt getan: Laut Pressemeldung vom 12. Jänner 2015 werden vom Bildungsministerium nur noch Schulbücher, die in „geschlechterneutraler“ Sprache verfasst werden, approbiert. Obwohl es sich dabei um eine gesetzlich seit 1993 notwendige Maßnahme handelt, erfolgte sofort medienwirksame Kritik. Und das in einer Zeit, in der es so wichtig ist, die unterschiedlichsten Lebensrealitäten von Personen sichtbar und somit auch gestaltbar zu machen.
Sprache ist das zentrale Mittel der Verständigung, Dinge zu benennen und sich in der Welt zurechtzufinden. Sie ist lebendig und entwickelt sich permanent weiter, sie hilft uns Veränderungen zu erfassen und zur Sprache zu bringen. Sprache kann daher nie etwas „Abgeschlossenes“, „Ausschließendes“ oder „Einengendes“ sein, sondern muss kreativ sein, unsere Denkmöglichkeiten erweitern und Bewusstsein für andere Realitäten schaffen. In Schulbüchern wird von Menschen und deren Lebenswirklichkeiten erzählt. Geschlechtergerechte Sprache trägt dazu bei, Geschlechterstereotype aufzubrechen und durch die eröffnete Vielfalt von Lebensentwürfen Anderes denk- und lebbar zu machen.
Beim Erlernen einer Sprache erfolgt eine Auseinandersetzung mit Sprache. In Klassen, in denen Kinder und Jugendliche mit anderen Muttersprachen sind, könnte es daher ein Verständnis für geschlechtergerechte Sprache geben, weil diese in ihren Sprachen vielleicht bereits eine Selbstverständlichkeit ist. Ausschließliche maskuline Formen werden weder der deutschen Sprache noch der sie bezeichnenden Wirklichkeit gerecht. Wenn die Lesbarkeit von der Elternvertretung als zentraler Einwand gegen Schulbücher in gendergerechter Sprache eingebracht wird, so zeigt das gerade die Notwendigkeit, eine geschlechtergerechte Sprache von Anfang an zu lernen, damit sie für die Schüler_innen von heute morgen zu einer Selbstverständlichkeit, zu einer Gewohnheit wird.
Warum stößt geschlechtergerechte Sprache immer wieder auf Widerstand?
Diese Frage stellt sich umso mehr, als sich Sprache immer verändert. Das zeigt die ganz selbstverständliche Hereinnahme der SMS-Sprache, der PC-Sprache, der Jugendsprache, der Wirtschaftssprache, der Anglizismen etc. Es gibt also viele und laufend Sprachveränderungen, die ohne öffentlichen Einspruch passieren. Warum dann der reflexhafte Einspruch bei der geschlechtergerechten Sprache? Die Vermutung liegt nahe, dass es bei der geschlechtergerechten Schreibweise um etwas anderes geht als die „Erhaltung der Sprache“ – nämlich um Macht und Angst vor Machtverlust!
Öffentliche Bildungseinrichtungen, wie zum Beispiel Schule, sind ein Ort, wo Kinder und Jugendliche in ihrer Verschiedenheit zusammenkommen. Diese Vielfalt soll und kann in der Schule sichtbar und bewusst gemacht werden. Stereotypen können aufgebrochen, bearbeitet und verändert werden. Diese Auseinandersetzungen und das Aneignen von Wissen erfolgt über Sprache. Wenn sich Schule als ein Ort versteht, wo sich junge Menschen mit gesellschaftlichen Veränderungen kritisch auseinandersetzen und Gestaltungsmöglichkeiten für eine gerechte Welt erarbeiten, ist die geschlechtergerechte Sprache eine Voraussetzung dafür. Geschlechtergerechtes Formulieren zeigt auf, dass es mehr gibt als die männliche Norm, mehr als ein Geschlecht. Es darf sich jedoch auch nicht darauf reduzieren, Frauen und Männer in der Sprache sichtbar zu machen.
Wir unterstützen die Bundesministerin für Bildung in ihrem gesetzeskonformen Vollzug, nur noch Schulbücher in geschlechtergerechter Sprache zu approbieren. Da eine geschlechtergerechte Sprache nach wie vor keine Selbstverständlichkeit ist und Genderkompetenz erlernt werden muss, ist es notwendig, Lehrer_innen diesbezüglich fortzubilden und zu unterstützen. Dazu braucht es entsprechend qualifizierte Bildungsangebote, bei denen auch Widerstände zur Sprache kommen können, sowie Argumentationshilfen zur Unterstützung von Lehrer_innen in ihrer Arbeit mit Schüler_innen und Eltern.
Sprache schafft Wirklichkeit – die Wirklichkeit ist vielfältig – Sprache ist es auch!
Sprache MACHT Wirklichkeit – für geschlechtergerechte Vielfalt im Kopf und in den Schulbüchern!
JOAN ROBINSON
Verein zur Förderung frauengerechter Verteilung ökonomischen Wissens
Meiereigasse 8, 2340 Mödling
joan.robinson@telering.at
http://www.wide-netzwerk.at/index.php/joan-robinson
Luise Gubitzer
Birgit Mbwisi-Henökl
Eva Klawatsch-Treitl
Edeltraud Novy
Milena Müller-Schöffmann
Barbara Schöllenberger
Ursula Dullnig