CSW66: Gender-Gleichstellung im Kontext des Klimawandels
Bericht von der 66. Tagung der UN-Frauenstatuskommission (CSW66)
von Aleksandra Kolodziejczyk
Die 66. Tagung der UN-Frauenstatuskommission (CSW – Commission on the Status of Women) hat von 14.-25.3.2022 stattgefunden. Das Schwerpunktthema war Geschlechtergleichstellung im Kontext des Klimawandel und der Umwelt- und Katastrophenvorsorge („Achieving gender equality and the empowerment of all women and girls in the context of climate change, environmental and disaster risk reduction policies and programmes“). Zum ersten Mal in der Geschichte der CSW hat sich die Tagung mit den Verbindungen zwischen Geschlechtergleichstellung und Klima/Umwelt beschäftigt.
Die Tagung fand in hybrider Form statt: Die Verhandlungen rund um das im Konsens von den UN-Mitgliedstaaten verhandelte, rechtlich nicht bindende Abschlussdokument – die agreed conclusions – fanden vor Ort in den Räumlichkeiten der Vereinten Nationen in New York statt. Die von den Regierungen und den NGOs organisierte Veranstaltungen zu dem Schwerpunktthema fanden alle online statt. Evelyn Dürmayer von NGO CSW Vienna und ich waren als NGO-Vertreterinnen Teil der österreichischen Regierungsdelegation und durften vor Ort an den Verhandlungen teilnehmen. Gleichzeitig gab es während den zwei Wochen einen zweimaligen virtuellen Austausch zwischen Regierungsvertreterinnen in Österreich, einem österreichischen Vertreter aus New York, der an den Verhandlungen teilnahm und österreichischen NGO-Mitgliedern.
Ergebnisse der CSW/ agreed conclusions
Das Abschlussdokument, die agreed conclusions (AC), wurde am 25.3.2022 im Konsens von den UN-Mitgliedstaaten beschlossen. Es enthält Verweise auf wichtige multilaterale Abkommen, stellt Zusammenhänge her zwischen Geschlechtergleichstellung und Klimawandel/ Katastrophenschutz und enthält im operativen Teil Maßnahmenempfehlungen für das Verwirklichen von Geschlechtergleichstellung im Kontext von Klimawandel und Katastrophenschutz. Grundsätzlich gesagt, befinden sich in den beschlossenen AC viele Paragraphen, die bereits in agreed conclusions vergangener CSW beschlossen wurden (das ist häufig der kleinstmögliche Konsens, der erreicht werden kann, wenn sich Staaten bezüglich des Wording nicht einigen können).
Der operative Teil der Schlussfolgerungen gliedert sich in folgende Maßnahmenbereiche:
- Normative, rechtliche und regulatorische Rahmenwerke stärken
- Gender-Perspektiven in Politiken und Programme zur Bekämpfung des Klimawandels, Umweltschutz und Katastrophenschutz integrieren
- Finanzierung für gender-responsive Maßnahmen ausweiten
- Verstärkt geschlechtsspezifische Daten erheben
- Einen gender-gerechten Übergang zu nachhaltigem Wirtschaften fördern
Im Großen und Ganzen gibt es einige gute und wichtige Inhalte in den verabschiedeten Schlussfolgerungen, darunter die mehrmalige Betonung, wie wichtig die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe und das Leadership von Frauen in Entscheidungsgremien und -prozessen, Strategien und Projekten/Programmen in den Bereichen Klimawandel und Umwelt- und Katastrophenvorsorge ist. Dabei widmen sich eigene Paragraphe explizit den besonderen Benachteiligungen und der Teilhabe von jungen Frauen, Frauen und Mädchen mit Behinderungen, indigenen Frauen und Mädchen sowie Migrantinnen/geflüchteten Frauen und Mädchen (auch im Kontext der Frauen, Frieden und Sicherheit Agenda).
Des Weiteren wird die Notwendigkeit unterstrichen Politiken, Programme und Finanzierungsmaßnahmen in den Bereichen Klimawandel, Umwelt- und Katastrophenvorsorge geschlechtergerecht zu gestalten (gender-responsive; an zwei Stellen wird auch disability-inclusive erwähnt).
Einige Paragraphen widmen sich der Bekämpfung von Gewalt, inklusive geschlechtsspezifischer Gewalt, dem Zugang zu inklusiven und geschlechtergerechten Gesundheitsdienstleistungen und Bildung, der Umverteilung von unbezahlter Arbeit, dem Abschaffen von diskriminierenden sozialen Normen und Gesetzen, der wichtigen Rolle der Zivilgesellschaft und der Notwendigkeit für Studien und nach Geschlecht und anderen Kriterien aufgeschlüsselter Datensammlung. Zum ersten Mal wird die Rolle von Journalistinnen und Medienschaffenden im Kontext des Klimawandels explizit genannt. Das Recht aller Frauen und Mädchen in Bezug auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt soll gefördert und geschützt werden. Die Gewährleistung des Zugangs zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und reproduktiven Rechten im Kontext von Klimawandel, Politiken und Programmen der Umwelt- und Katastrophenvorsorge wird auch erstmalig erwähnt.
Wenig adressiert werden in den Schlussfolgerungen die strukturellen Ursachen der Klimakrise und entsprechende Lösungsansätze. Es werden relativ wenige Maßnahmen unter dem Abschnitt „Fostering a gender-responsive, just transition“ (Gender-gerechter Übergang zu nachhaltigem Wirtschaften) gelistet. Die Staaten des Globalen Nordens wollten keine zusätzlichen Forderungen zur Finanzierung in den AC akzeptieren (z.B. zusätzliche Gelder der Entwicklungszusammenarbeit), die über die in Glasgow und Paris vereinbarten Finanzierungszusagen im Rahmen der Klimaverhandlungen hinausgehen. Hinweise auf staatliche Souveränität und nationale Gesetzgebungen schwächen den Text stellenweise („taking into account different national realities, capacities and levels of development, and respecting each country’s policy space and leadership while remaining consistent with relevant international rules and commitments”). Auch der abwechselnde Gebrauch von gender sensitive, gender responsive und gender perspectives macht den Text inkonsistent (ein gender approach fehlt durchgängig). „Intimate partner violence“ hat es auch diesmal nicht in den Text geschafft.
Wer den gesamten 20-seitigen Text lesen möchte, kann diesem Link folgen: https://www.unwomen.org/en/csw/csw66-2022
Verhandlungsprozess auf der CSW66
Die Verhandlungen rund um die AC wurden dieses Jahr von der Botschafterin Deutschlands Antje Leendertse geleitet, die es geschafft hat, den Prozess zeiteffektiver und konstruktiver zu gestalten als er die Jahre zuvor abgelaufen ist. Normalerweise sind die facilitators der AC nicht auf Botschafter*innenebene angesiedelt – dieses Jahr bildet eine Ausnahme und geht auf die Regierungsneubildung in Deutschland zurück. Das politische Gewicht der Verhandlungsführerin hat bei dem Prozess dieses Jahr sicherlich eine große positive Rolle gespielt.
In den Verhandlungen konnten wie die Jahre zuvor zwei mehr oder weniger homogene Blöcke festgestellt werden, entlang derer die Bruchlinien klar erkennbar waren. Die zur Diskussion stehenden Themen/Begriffe waren auch recht ähnlich wie bei vergangenen CSWs: sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte, sexuelle Identitäten, Frauen in all ihrer Diversität bzw. Auflistungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen (wie feministische Gruppen, Frauenrechtsorganisationen, Frauenrechtsverteidigerinnen), gender baseed violence, intimate partner violence, multiple intersektionale Formen von Diskriminierung, fundamentale Rechte und Freiheiten, Familie vs. Familien, die Souveränität von Staaten und das Recht auf Entwicklung vs. anderen multilateralen Abkommen und Rechtsinstrumenten, die Frauen Frieden Sicherheit Agenda, gender sensitive/ gender perspectives versus gender responsive, Verbindungen zwischen Geschlechtergleichstellung und Klimawandel, die Partizipation von Mädchen, überhaupt die Nennung von Zivilgesellschaft; Finanzierung, die über die Finanzierungszusagen der UN Konferenzen in Paris and Glasgow hinausgeht: EU und andere Staaten des Globalen Nordens wollten nicht über die vereinbarte Sprache hinausgehen und kein zusätzliches Wording in Bezug auf Finanzierung in die AC aufnehmen.
Zur Autorin: Aleksandra Kolodziejczyk ist Projektreferentin bei Brot für die Welt und hat für ihre Organisation sowie als WIDE-Delegierte an der CSW66 teilgenommen.