Zwischen MDGs und Green Economy
Eine Gender-Perspektive auf Wachstumsdiskurse und Wohlstandsmodelle
von Christa Wichterich/WIDE (Women in Development Europe)
Oktober 2011
“Wohlstandsmodelle und Entwicklungsziele jenseits der MDGs”
Die mehrdimensionale Krise von 2007/8 zeigte nachdrücklich, dass die neoliberale Marktglobalisierung und die Wachstumsökonomie nicht halten können, was sie versprechen: nämlich die beste Allokation von Ressourcen auf dem ganzen Planeten zu schaffen und damit ein Win-Win-Spiel für alle zu sein.
Damit scheiterte aber das wachstumsoptimistische Nachhaltigkeitskonzept der Umwelt-und-Entwicklungs-Konferenz in Rio de Janeiro, das auf die Vereinbarkeit von Wachstum, Ressourcenschutz und sozialer Gerechtigkeit setzte. Effizienzgewinne beim Energieverbrauch und Ressourcendurchsatz wurden durch das Wachstum des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) aufgefressen.
Es gelang nicht, durch die ökologische Modernisierung Wachstum und Wohlstand vom Naturverbrauch abzukoppeln. Gleichzeitig mit dem BIP-Wachstum vergrößerten sich die sozialen Ungleichheiten zwischen Ländern und Regionen sowie innerhalb der einzelnen Gesellschaften. (…)
Frauen haben ihre eigene Geschichte politischer Bezugnahme auf und Einmischung in den Themenkomplex von Umwelt und Entwicklung.
Im Vorfeld der UNCED 1992 in Rio de Janeiro erarbeiteten sie ein eigenes Positionspapier, die „Women`s Action Agenda 21“. Es liest sich auch heute in seinen Eckpunkten immer noch aktuell: ausgehend von einer Kritik am Entwicklungsmodell des „freien Marktes“ und am wirtschaftlichen Wachstum plädiert die Frauen-Agenda 21 für eine neue Ethik des Wirtschaftens und des Naturbezug, für die Wahrung biologischer und kultureller Vielfalt, für Demilitarisierung, für Gerechtigkeit zwischen Süden und Norden sowie für ein Empowerment von Frauen durch demokratische, reproduktive und Ressourcenrechte. (…)
Es gibt nicht den einen Königinnenweg heraus aus der Systemrationalität oder das eine alternative Wohlstandsmodell; es gibt weder Universalrezepte, die überall gleich greifen, noch die eine Maßnahme, z.B. Grundeinkommen, die alles aushebelt. Aufgrund der wachsenden Komplexität muss jede Ein-Punkt-Maßnahme zwangsläufig zu kurz greifen. So verstärkt z.B. die Internalisierung von ökologischen Kosten in die Preisbildung ohne gleichzeitige soziale Umverteilungsmechanismen die Ungleichheitsstrukturen der Gesellschaften und ungleichen Zugänge zu Ressourcen.
Die Transformationsstrategien müssen an die Forderungen neuer sozialer Bewegungen nach realer und direkter Demokratie anknüpfen, Übergangsstrategien ebenso wie Ressourcennutzung oder Naturschonung neu aushandeln, und Wirtschaft demokratisch und solidarisch organisieren. Ökologische und soziale Steuern, die umverteilen und regulieren, sind ebenso wie Bürgerhaushalte mit Gender Budgets Schritte in die Richtung, Gegenmacht gegen das Wachstumsdiktat aufzubauen, wie auch gutes Leben und Zufriedenheit.