Kompromittierte Agenda für Entwicklungspolitik

Veröffentlicht am: 30. Mai 2017|Meinung, Publikation|Themen: |

Gender und der neue EU-Konsens zu Entwicklung

WIDE-Presseaussendung

(Wien, 30.5.2017) Am 31.5. wird das EU-Parlament voraussichtlich ein neues Grundsatzpapier beschließen, das Frauenrechten und Geschlechtergleichstellung einen hohen Stellenwert in der EU-Entwicklungspolitik einräumt.

Bei diesem „EU-Konsens zu Entwicklung“ handelt es sich um eine gemeinsame Positionierung der drei EU-Institutionen Rat, Kommission und Parlament, welche sowohl für die EU als auch für ihre Mitgliedsstaaten richtungsweisend ist.  Die Aktionsbereiche für Frauenrechte und Gleichstellung orientieren sich dabei an den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs), am davon abgeleiteten EU Gender Action Plan (GAPII), und es fehlt nicht die Bezugnahme auf wesentliche UN-Grundsatz- und Aktionsdokumente zu Frauenrechten.

„Die Ansätze in Bezug auf Frauenrechte sind sehr positiv, ebenso in Bezug auf besonders vulnerable, gesellschaftlich diskriminierte Gruppen, die nach dem Motto `Leave no one behind´ von der EU-Entwicklungszusammenarbeit profitieren sollen. Doch das Dokument enthält auch tiefgreifende Widersprüche“, sagt WIDE-Koordinatorin Claudia Thallmayer.

Widersprüchlichkeiten

Während von Frauen- und Menschenrechten und Umverteilungspolitik auf der einen Seite die Rede ist, so soll andererseits durch  „Wirtschaftsdiplomatie“ eine neoliberale Freihandelsagenda durchgesetzt werden. Speziell geht es dabei um die „Economic Partnership Agreements“ (EPAs) mit den afrikanischen Staaten, gegen die sich bislang Nigeria und Tansania erfolgreich gewehrt haben. Denn die EPAs würden nicht nur ihre Industrialisierungsbemühungen unterminieren, sondern auch KleinbäuerInnen der Weltmarktkonkurrenz aussetzen und dadurch in den Ruin – und in die Migration – treiben.

Verpasste Gelegenheiten

Im Papier ist auch keine Rede von Gender-Budgeting im Zusammenhang mit „Umverteilung“ – eine verpasste Gelegenheit aus Sicht von WIDE. Ebenso formulierten die EU-VertreterInnen keine Zielvorstellung der Mittelvergabe für gleichstellungsorientierte Vorhaben, obwohl mit dem OECD-DAC-Gender-Marker ein geeignetes Monitoring-Instrument zur Verfügung stünde.

„Außerdem ist problematisch, dass Migrationsabwehr und Aspekte der EU-Sicherheitsagenda in dieses entwicklungspolitische Grundsatzpapier verpackt sind, was dem Bekenntnis der EU zur Armutsbekämpfung zuwiderläuft und auch im Widerspruch zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung steht“, erklärt Thallmayer.

und ausgelassene Möglichkeiten

„Doch die österreichische Bundesregierung kann mit diesen Widersprüchen offenbar gut leben. Darauf lässt zumindest das Verhalten des österreichischen Außenministers Sebastian Kurz schließen, der einer Pressemeldung zufolge im Vorjahr an keiner einzigen Sitzung der EU-AußenministerInnen zur Entwicklungspolitik teilgenommen hat“, so Thallmayer (vgl. Der Standard vom 23.5.2017).

 
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