Armutsbekämpfung à la Dagobert Duck

Veröffentlicht am: 20. Dezember 2021|Meinung, Publikation|Themen: , |

Kommentar des Vereins JOAN ROBINSON und der WIDE Arbeitsgruppe „Frauen & Wirtschaft“ zur Finanzbildungsstrategie des Finanzministeriums  

Finanzbildung ist das Gebot der Stunde. Bezahlte und redaktionelle Beiträge in allen großen Medien wollen dieses Anliegen breit in der Bevölkerung verankern. Aber es geht nicht um eine möglichst objektive Bildungsinitiative, die einer breiten Bevölkerung einen informierten Umgang mit Geld nahebringen will. Diese Beiträge sind durchgehend von der Finanzwirtschaft forciert.  Das Anliegen scheint zu sein, bisher vernachlässigte Bevölkerungsgruppen auf den Finanzmarkt zu locken. Bei Frauen und Kindern ist da noch einiges zu holen. Da wird das gesamtgesellschaftliche Problem der Altersarmut bei Frauen und das, der immer jüngeren Personen, die bei der Schuldnerberatung landen, zum Anlass genommen, die Privatisierung der Altersvorsorge schmackhaft zu machen und junge Menschen als Risikokapitalgeber der Zukunft  zu präparieren.

Die Altersarmut von Frauen hat mehrere Ursachen. Vernachlässigbar ist dabei allerding deren zu geringes Wissen über Finanzmärkte und Finanzmarktprodukte. Die Reform des Pensionssystems durch die Regierung Schüssel, die den Pensionsanspruch vom Einkommen während der gesamten Zeit der Berufstätigkeit berechnet, anstatt wie davor die letzten 15 Jahre vor der Pensionierung dafür heranzuziehen, hat sich für Frauen, die ja zumeist familienbedingt keine kontinuierlichen Berufsverläufe haben, höchst negativ ausgewirkt. Die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern und die schlechte Bezahlung in Berufen, die vorwiegend von Frauen ausgeübt werden, verstärkt die Diskrepanz. Diese Missstände wären einfach zu beheben. Es müsste nur die bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit den ihr zustehenden Platz in Wirtschaft und Gesellschaft bekommen. Dazu wäre allerdings eine generelle Arbeitszeitverkürzung nötig, damit Frauen und Männer gleichermaßen ihrer Sorgearbeit in der Familie nachkommen können. Weiters müssten alle Berufe, die sich sorgend um Menschen kümmern, eine ihrer Bedeutung für die Gesellschaft entsprechende Bezahlung bekommen.

Und natürlich braucht es für alle, Frauen, Männer und Kinder eine umfassende Bildung über wirtschaftliche Zusammenhänge. Jeder und jede, soll lernen, mit Geld umsichtig umzugehen, aber auch das Steuersystem und die staatlichen Ausgaben zu verstehen. Vor allem braucht es ein Wissen über volkswirtschaftliche Zusammenhänge. Dazu gehört es auch, sich kritisch mit der Rolle der Finanzmärkte auseinander zu setzen. Das, was uns im großen Finanzmarktkollaps 2008 eingebläut wurde, nämlich nur in Finanzmarktprodukte zu investieren, die man auch versteht, sollte ernst genommen werden. Ich denke nämlich, dass das vor allem für sogenannte Finanzfachleute gilt, sonst wären nicht so viele Menschen in Fremdwährungskredite gelockt worden und auch die Kryptowährungen würden nicht solche Höhenflüge verzeichnen können. Der große Propagandist für eine Finanzmarktbildung, Andreas Treichl dürfte da ja auch nicht so sattelfest sein, sonst hätte er sein Institut nicht mittels Spekulation am isländischen „Kapitalmarkt“ gefährdet. Da Krisen des Finanzmarkts systemimmanent sind, ist es höchst fahrlässig, Menschen, die eigentlich wegen ihrer Einkommenssituation keine finanziellen Experimente machen sollten, in Risikokapitalinvestitionen zu locken. Die Pandemie hat wieder gezeigt, wie abgekoppelt der Finanzmarkt von der Realwirtschaft ist, da die Aktienkurse gerade in dieser Zeit, wegen des Füllhorns, das die EZB ausschüttet, durch die Decke gegangen sind. Aber das kann sich ebenso irreal wieder sehr schnell ändern. Statt ihr Geld bei der Finanzplattform „Dagobertinvest“ (existiert tatsächlich) anzulegen, sollten sich Bürgerinnen und Bürger die Frage stellen, wieso Banken von Institutionen, die Sparguthaben aufnehmen und diese dann als Kredite vergeben, zu Maklern verkommen sind, deren wahrnehmbares Geschäftsmodell hauptsächlich im Verkauf von Finanzmarktprodukten zu bestehen scheint. Risikokapitalinvestitionen sollten diejenigen machen, die so viel Geld haben, dass sie Verluste verschmerzen  können und jene, die ihr Geld in Banken und Finanzinstitutionen verdienen. Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrem finanzfremden Beruf und ihrer unbezahlten Sorgearbeit völlig ausgelastet sind, sollten nicht zusätzlich noch dazu verpflichtet werden, sich als Finanzexperten zu betätigen, damit ihre Ersparnisse nicht ständig an Wert verlieren. Es ist kein Naturgesetz, dass Sparbücher keine Zinsen bringen – vielleicht wäre das Gehirnschmalz der Expertinnen und Experten besser investiert, wenn sie sich damit beschäftigten, den Finanzmarkt an die Bedürfnisse der Menschen anzupassen, statt die Menschen nach dem Bedarf des Kapitalmarkts zurichten zu wollen.

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