Laudatio für Traude Novy
zur Ehrung mit dem Preis „Die Seglerin“ von Südwind 2023
Der Verein Südwind Entwicklungspolitik Wien vergibt den Preis „Die Seglerin“ und zeichnet damit Menschen aus, die sich lebenslang entwicklungspolitisch engagieren und sich für Gerechtigkeit in der Welt einsetzen. Am 4. Juni 2023 wurde der Preis im Rahmen des Südwind-Fests an Rupert Helm und Traude Novy vergeben.
Von Katharina Novy
(Tochter von Traude Novy)
Danke für die Einladung, diese Laudatio zu sprechen! Eines meiner Arbeitsfelder ist ja die gesellschaftsbezogene Biografiearbeit und da passt es gut, dass ich gebeten wurde, etwas zu deiner Biografie zu erzählen.
Dass ich Geschichte studiert habe, daran bist du, Traude, ja im Übrigen alles andere als unschuldig: Am Mittagstisch in meiner AHS-Zeit ging es viel um Nazizeit und Zwischenkriegszeit; zur Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre schriebst du Leserbriefe. Kurt Tucholsky, dessen Bücher du interessanterweise ganz banal über die Buchgemeinschaft Donauland kennengelernt hast, hat dich begeistert; was zu unserem damaligen Milieu noch so gar nicht passte. Du hättest selbst gerne Geschichte studiert – davon habe ich wohl profitiert und mir wurde für dieses damals brotlose Studium nichts in den Weg gelegt.
Deine WIDE-Kollegin Luise Gubitzer hat mal, sinngemäß, gesagt, in einer anderen Zeit wärst du wohl Wirtschaftsprofessorin geworden – was du weit von dir gewiesen hast, da dir die HAK ein Gräuel war.
Du bist, 1940 geboren, in einer Zeit aufgewachsen, in der deine Lehrerin deinen Eltern, Greissler:innen im 20. Bezirk, den Tipp gab: Das Mädel braucht nicht studieren, ist ja eh fesch und wird heiraten. Entsprechend kam zunächst einmal die Rolle der Hausfrau und Mutter von uns drei Kindern dran, das Leben in Währing im Ursulinenhof, einem katholisch geprägten – heute würde man vielleicht sagen – großen „Wohnprojekt“ mit dazugehörigem Kindergarten und Pensionistenheim in der Anlage, eng verbunden mit der Pfarre. Wo allerdings in der „Eherunde“ damals schon auch über die Student:innenenbewegung oder antiautoritäre Erziehung diskutiert wurde. Ich kann mich schon erinnern, wie ich vom Kinderzimmer aus deine streitbaren Diskussionsbeiträge mitbekommen habe.
Aber erst danach, sozusagen im zweiten Bildungsweg, entstand all das, wofür du hier heute geehrt wirst.
Schon in kritischer Auseinandersetzung mit dem kirchlichen Milieu begannst du 1981 mit der Ausbildung zur Pastoralassistentin und Erwachsenbildnerin, wo du mit offener und fortschrittlicher Theologie in Kontakt kamst; auch die Befreiungstheologie hat für deine Politisierung eine Rolle gespielt. Dort hast du, wie du erzählt hast, positive Reaktionen auf deine Texte bekommen und wohl an Selbstvertrauen gewonnen, Texte zu schreiben, ob Leserbriefe, Kabarettexte, Kommentare und seit fast sechs Jahren auch deinen Blog auf der Website der Katholischen Aktion Wien zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Fragen.
Im pfarrlichen Kontext fühltest du dich danach nicht so wohl und bist bald bei der Katholischen Frauenbewegung (kfb) gelandet. 1993 wurdest du stellvertretende Vorsitzende der KFBÖ, eine Funktion, die du acht Jahre innehattest; von 1994 bis 2005 warst du Diözesanleiterin der kfb Wien.
Das brachte mit sich, dass du als kfb-Funktionärin bei Treffen zur Vorbereitung zu 8. März-Feiern mit feministischen Frauen etwa von Frauensolidarität und AUF zusammengetroffen bist, dass ihr bei Johanna Dohnal eingeladen wart. Wo du, wie du gesagt hast, eher schweigsam warst und nur zugehört hast – ich glaube, ich spreche nicht nur für mich, wenn ich meine, dass das nicht das Bild ist, das man zunächst mit dir assoziieren würde – eher eingeschüchtert still dazusitzen…
In der kfb hast du über Jahrzehnte viel Erwachsenenbildung an der Basis betrieben – aber ihr habt auch große Veranstaltungen wie „Frauen zwischen Hauswirtschaft und Weltwirtschaft“, „Die Schuldenfalle“, „Der Staat, die Stadt und die Frauen“ auf der WU und im Rathaus durchgeführt.
Du hast dich auch über viele Jahre im „Frauen Kirchen Kabarett“ kritisch mit Machtpolitik, mit Geschlechtergerechtigkeit und (Kirchen-)Politik auseinandergesetzt. Da wurden kritische und witzige Texte von dir auf der Bühne lustvoll aufbereitet. Übrigens noch eine Facette, die wir inzwischen teilen: Für mich ist das Psychodrama und Soziodrama als theatrale Methode Heimat in der Beratungstätigkeit geworden.
In der kfb warst du immer mit Schwerpunkt auf der entwicklungspolitischen Schiene der kfb aktiv, der „Aktion Familienfasttag“ – mit tollen Projekten mit Frauen im globalen Süden, die sie ökonomisch, kulturell und politisch stärken. Gar keine Almosen, sondern vielfach Unterstützung für Selbstbestimmung und politisches Handeln.
Erste Anknüpfungspunkte mit der EZA gab es ja schon vorher – mein Bruder Andreas hat ja im damaligen ÖIE, also dem Vorläufer von Südwind, seinen Zivildienst gemacht und wir haben zuhause immer viel über politische Fragen und eben auch darüber diskutiert. Zudem gab es mit Helmut Novy, deinem ganz früh verstorbenen Schwager, schon davor einen höchst aktiven Novy in der EZA.
Richtig nahe in dein Leben getreten ist die EZA aber wohl mit der ersten Indienreise mit der kfb 1988, wo du von den Projektpartnerinnen fasziniert warst und viel gelernt hast. Über sie hast du etwa auch das Theater der Unterdrückten von Augusto Boal kennengelernt. Ich habe unlängst ein Buch über Kritik an weißem Feminismus gelesen, über die Überheblichkeit, mit der Frauen im Westen glauben, am besten zu wissen, was Gleichberechtigung und Befreiung im globalen Süden bedeuten. Ich habe mir dabei gedacht: Das, was hier gefordert wird, der Respekt, das Interesse und die Unterstützung von kompetenten Frauen für ihr eigenes Tun, die Erfahrung, hier von den politisch kompetenten Frauen zu lernen – das habe ich eigentlich schon immer so wahrgenommen in deinem Engagement.
Von deiner Funktion in der kfb aus, wo die Entwicklungspolitik immer Schwerpunkt war, hast du aber deinen Handlungshorizont erweitert, zunächst noch als Vertreterin der kfb, zunehmend aber auch als Person, die wegen ihrer Kompetenz, ihres kritischen Denkens, ihrer Bereitschaft, den Mund aufzumachen, vielerorts geschätzt wurde (wenn auch oft genug angeeckt ist.)
Du hast in vielen Zusammenschlüssen und Organisationen mitgemischt:
Du warst bis 2001 Kuratoriumsmitglied des Afro-Asiatischen Instituts in Wien, das es ja inzwischen nicht mehr gibt.
In der AGEZ, der Vorläuferin der AG Globale Verantwortung, warst du von 1999 bis 2005 stellvertrende Vorsitzende, wo du speziell mit der leider schon verstorbenen Eva Klawatsch-Treitl, einer sehr guten Freundin von mir, zusammengearbeitet und unter anderem feministische Blickwinkel eingebracht hast.
Bei Fairtrade, wo die kfb in Österreich Gründungsorganisation war, warst du von 2001 bis 2007 Vorsitzende und hast daran mitgewirkt, den fairen Handel aus einer kleinen Nische in die Supermarktregale zu bringen.
Bei oikocredit, wo du in deiner Funktion als kfb-Verantwortliche der noch kleinen Initiative Geld anvertraut hast, warst du zunächst noch selbst im Vorstand und hast dann den langjährigen Obmann Robert Wychera ins Spiel gebracht – der dann schließlich deinen Mann, unseren Vater, in den internationalen Vorstand brachte.
Apropos unser Vater, der ja zeit seines Berufslebens in der Creditanstalt, später Bank Austria, also mitten in der Finanzwelt, tätig war. Gerade die Einblicke, die du dadurch in die Finanzwelt bekommen hast, haben dich zu einer so entschiedenen und fundierten Kritikerin werden lassen. Es spricht für deine Unerschrockenheit, aber auch für eure Beziehung, dass du dir meist kein Blatt vor den Mund genommen hast und dieser Spagat gut zu leben war. Und schließlich war ja dann, nach seiner Pensionierung, auch er für HORIZONT3000 und oikocredit höchst aktiv und hat es geliebt.
Diese kritischen Blicke auf Finanz- und Wirtschaftswelt hast du besonders im WIDE-Kontext und im Verein Joan Robinson eingebracht, geteilt, vertieft. Du warst schon bei der Gründung von WIDE dabei – mit Ulrike Lunacek, Gerti Perlaki und Hanna Golda. Nur dabei, mit Hilfsdiensten, wie du gesagt hast. Ob das die anderen auch so sehen, weiß ich nicht…
Jedenfalls warst du in den Folgejahren, so kann man glaube ich sagen, tragend aktiv. Hier hast du dich, insbesondere im dann zusätzlich gegründeten Verein „Joan Robinson“ (wo du seit 2002 Vorsitzende bist), ebenfalls gemeinsam mit Eva Klawatsch-Treitl Wirtschaftsfragen aus feministischer Sicht zugewandt, und da insbesondere der Care-Thematik: mit vielen Bildungsveranstaltungen, mit den Handbüchern, die ihr herausgegeben habt, mit Stellungnahmen.
Du hast mal gemeint, wenn du dich in Währing, wo wir als Familie gewohnt haben, in Bürgertum und Pfarre mehr zugehörig fühlen hättest können, wärst du vielleicht nicht so kritisch geworden, hättest dich vielleicht nicht so aus dem Milieu hinausentwickelt.
In der entwicklungspolitischen Szene, speziell bei WIDE aber, da konntest du erleben, wirklich dazuzugehören.
Gratuliere zu dieser Ehrung und große Anerkennung zu all dem, was du da getan, gesagt, geschrieben, ins Laufen gebracht hast. Ich bin schon stolz, so eine gescheite, couragierte und engagierte Mutter zu haben.
Zur Laudatorin: Katharina Novy ist im Bildungs- und Beratungsbereich tätig: www.katharinanovy.at
© Katharina Novy, Wien, 2023
Foto: Traude Novy kabarettistisch in Aktion, März 2009 in Wien © WIDE
Beiträge, Stellungnahmen und Kommentare von Traude Novy:
Auf der Website der Katholischen Aktion Wien (zur Rubrik „Meinung“ auf der Seite hinunterscrollen…)
Z.B.: Kommentar zu „Drei am Runden Tisch“ zum Thema Vermögenssteuern, 21.5.2023: https://www.ka-wien.at/site/blog/article/2596.html
Auf der WIDE-Website, Rubrik „Meinung“, z.B. „Armutsbekämpfung à la Dagobert Duck“, vom 20.12.2021